Architekt Chipperfield krönt die Museumsinsel








Die James-Simon-Galerie wird das neue Eingangsgebäude der Museumsinsel – ein großartiges, von Sichtbeton geprägtes Tor zu den historischen Kostbarkeiten Berlins. Architekt David Chipperfield orientierte sich in seinem Entwurf an Kolonnaden-Motiven des preußischen Baumeisters Friedrich August Stüler, der um 1845 das Neue Museum Berlin entworfen hatte. 2009 begannen die vorbereitenden Arbeiten. Für das Projektmanagement des komplexen und technisch anspruchsvollen Neubaus ist das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung verantwortlich. Den Rohbau (Start 2014) erstellt die Arge Dreßler Bau Niederlassung Dresden und Stockstadt/Hentschke Bau Bautzen. 2018 soll das Gebäude fertig gestellt und offen sein für die Besucher. Jährlich werden drei Millionen auf der Museumsinsel gezählt.
Projektleiter Urs Vogt, David Chipperfield Architects: „Der Sichtbeton spielte eine zentrale Rolle als Hauptmaterial der innenräumlichen Wand- und Deckenflächen im öffentlich-zugänglichen Bereich der James-Simon-Galerie. Bei den 6.000 m² großen Sichtbetonflächen legen wir deshalb höchsten Wert auf eine einheitliche Farbgebung sowie eine gleichmäßige Oberflächenbeschaffenheit. Gerade im historischen Kontext der Bestandsbauten hat dies für uns als Planer Priorität.“ Definiert für fast alle Innenwände und die Decken war ein Sichtbeton der Klasse SB4 in einem hellen grauen, warmen, leicht ins Beige zielenden Farbton“.
Optik aber auch Kosten waren zu beachten
Da viele Faktoren Textur und Farbe des Sichtbetons beeinflussen, wurden im Vorfeld Probeflächen mit verschiedenen Plattentypen und von verschiedenen Anbietern erstellt. Akribisch nahmen die Sichtbetonfachleute die jeweils erzielten Ergebnisse unter die Lupe. Aber natürlich mussten auch Kostenaspekte mit einbezogen und die Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Dipl.-Ing. Uwe Gassmann betreute für die Westag & Getalit die Baustelle und empfahl für diese Aufgabenstellung eine Großflächenschalungsplatte aus einem Holzwerkstoffträger mit Filmbeschichtung. „Und so kam auch unsere Westaspan 540 SP auf den Prüfstand. Mit dieser nichtsaugenden Holzwerkstoffplatte lassen sich matte Oberflächen erzielen. Wir bieten sie für alle fugenarmen, glatten Betonoberflächen an.
“Bauleiter Thomas Maaß, Hentschke Bau: „Die im Zuge des Bemusterungsverfahrens erstellten Betonmusterwände mit den Platten der verschiedenen Anbieter lieferten unterschiedliche Ergebnisse in Farbgebung, Kontrast, Glanzgrad und Oberflächenbeschaffenheit. Das lag auch an den Zuschlagstoffen der verwendeten Betonsorten. Bei erhöhter Zementdosierung und reduziertem Flugascheanteil kamen wir dem gewünschten Ergebnis schon näher. Die mit der filmbeschichteten Westag-Schalhaut erzielten Resultate überzeugten letztendlich dann auch die kritischen Fachleute.“
Westaspan mit vorteilhaften Plattengrößen
Die Westaspan wird in drei unterschiedlichen Größen gefertigt. Der Plattentyp mit den Abmessungen von 5500 x 2520 mm und einer Dicke von 21 mm wurde als Sonderproduktion mit einer Beschichtung von 540 g/m² hergestellt. Dieses Format erwies sich als besonders vorteilhaft, weil bauseits Rastermaße von 1250 x 5500 mm vorgegeben waren. Um den hohen Qualitätsstandard zu halten, durfte jede Platte nur einmal eingesetzt werden. Die Schalungsplatte WSP 540 SP wurde sowohl in der Wand als auch in der Decke eingesetzt. Damit erzielte man optisch gleiche Betonoberflächen.
Bauleiter Thomas Maaß: „Das Zuschneiden und die Vorfertigung der Schalung erfolgte durch den eigenen Schalungsbau in unserer Zentrale in Bautzen. Aufgrund der günstigen Abmessungen der Westaspan 540 SP gab es nur wenig Verschnitt an den Platten. Mit einem wirkungsvollen, kleinen Trick schützten unsere Mitarbeiter die Plattenkanten vor Beschädigungen. Sie klebten Küchenumleimer drauf. Ein einfaches, aber effektives Mitteln, sowohl um die sperrigen Platten beim späteren Einpassen auf der Baustelle zu schützen, als auch das Risiko von Betonausblutungen an den Schalhautfugen zu minimieren. Diese Vorsichtsmaßnahme war effektiver, als die unbeschichteten Plattenkanten mittels mehrlagigen Anstrich zu versiegeln. Außerdem entstand weniger Reibung und wir konnten die Platten deutlich besser ausrichten.“ Dipl.-Ing. Uwe Gassmann:“Guter Sichtbeton ist eine Kunst. Viele Dinge beeinflussen die Qualität. Rezeptur, Bewehrung, das Wetter, die Sorgfalt beim Einbau, das richtige Schalöl und weitere Faktoren zählen dazu. Mit unser Baustellenerfahrung sowie unser technischem Expertise sind wir in der Lage, die Kunden auch in schwierigen Einzelfällen optimal zu beraten. Weil wir flexibel sind, können wir auch produktionsseitig schnell reagieren und Sonderlösungen erarbeiten.“
Betonfertigteile schalte Dreßler mit Westag-Schalhaut
Für den Bau der Galerie werden außerdem Betonfertigteile eingesetzt. Die erforderlichen Fertigteile (großformatige Halbfertigteil-Deckenplatten, schlanke Stützen, unregelmäßige Fassadenplatten, in die Fassade integrierte, geschliffene Sitzbänke, Stufen und Bodenplatten) produziert vorwiegend der Fertigteilspezialist Dreßler Bau aus Stockstadt am Main unter Verwendung von Westag-Schalungsplatten. Bis Oktober 2016 werden es insgesamt ca. 3.500 verschiedene Elemente sein. Kleinformatige Platten und Treppenstufen lässt Dreßler Bau durch einen Kooperationspartner fertigen.
Projektleiter Steffen Mueller aus der Dreßler-Niederlassung Dresden GmbH betreut die Baustelle: „Die Fertigteile für die beeindruckenden Kolonnaden werden in unserem Werk Stockstadt hergestellt. Es sind Stützen, Decken und Attikaelemente. Die Stützen mit Abmessungen 28 x 28 cm haben Längen von 5,5 m bzw. 9,5 m und wiegen bis zu acht Tonnen. Die für alle Fertigteile verwendete Marmorkörnung wurde unter Verwendung von Weisszement gemischt. Der Marmorsplitt mit 0-35 mm Größtkorn wird Untertage in Lengefeld im Erzgebirge abgebaut. Auf Grund der Elementgeometrie und der gestrahlten Oberflächen kommt dabei vorwiegend die Phenox Special-Schalplatte der Westag zum Einsatz. Die hochverdichtete Schalhaut ist durch deren Beschichtung sehr robust und lässt hohe Einsatzzahlen zu.“ Aber auch Stahlbelag, so ergänzt Mueller, wurde als Schalhaut eingesetzt.
Verzurrt und gut gesichert kommen die Betonfertigteile per Tieflader just in time zur Baustelle. Dreßler-Mitarbeiter übernehmen die Montage, da die Fassadenplatten als großformatiges, unregelmäßiges Fertigteilmauerwerk mit Hinterbeton herzustellen sind. Diese Konstruktion sei ausgefallen und neuartig und verlange höchste Präzision.
Masterplan Museumsinsel soll 2025 vollendet sein
Als erstes historisches Gebäude auf der Museumsinsel wurde 2001 die Alte Nationalgalerie wiedereröffnet. 2006 folgte das Bode-Museum, ehemals Kaiser-Friedrich-Museum, 2009 das Neue Museum, im Jahr 2010 der Kolonnadenhof vor Alter Nationalgalerie und Neuem Museum. Als sechstes Haus wird sich die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel in das historische Ensemble einfügen, freut sich Dr. Stefanie Heinlein, stellvertretende Direktorin der Abteilung Medien und Kommunikation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
James Simon, Namenspatron des neuen Eingangsgebäudes, ist einer der bedeutendsten Mäzene in der Geschichte der Staatlichen Museen zu Berlin. Im Herbst 2013 wurde der Grundstein für die James-Simon-Galerie gelegt. Im Jahr 2025 soll die Museumsinsel Berlin im Sinne des Masterplans vollendet sein.
Angesichts der hohen Besucherzahlen wird der James-Simon-Galerie zentrale Bedeutung für die Infrastruktur des Museumskomplexes zufallen. Als neues Eingangsgebäude wird sie Orientierung, Information und Gastlichkeit bieten und zentrale Servicefunktionen für die gesamte Museumsinsel übernehmen. Auf 4.600 Quadratmetern Nutzfläche werden hier Museumsshop, Gastronomie, Kassenbereiche und Garderoben zu finden sein.
Bauverzögerungen waren nicht vorhersehbar
Seit Beginn der ersten Baumaßnahmen auf der Museumsinsel hat sich insbesondere der komplexe Baugrund durchgehend als hohe technische Herausforderung erwiesen. Das Baugrundstück für die James-Simon-Galerie wird von einer sogenannten Kolklinse durchzogen, eine Art matschige, nicht tragfähige Blase. Stabiler Baugrund findet sich erst in Tiefen von bis zu 40 Meter unter der Geländeoberfläche.
Deshalb musste für das Bauwerk zunächst eine bis zu 50 m tief reichende Pfahlgründung mit 1200 engstehenden Kleinbohrpfählen durchgeführt werden. Außerdem wurde horizontal in 12 m Tiefe eine Düsenstrahlsohle eingebracht, um den kritischen Baugrund zu verbessern. Bei diesem Verfahren wird eine Zementsuspension in den Boden gepresst, um ihn zu festigen. Bei der Ausführung dieser Arbeiten kam es wegen nicht vorhersehbarer Hindernisse im Baugrund und wegen unzureichender Leistungen der damals eingesetzten Tiefbaufirma zu gravierenden zeitlichen Verzögerungen und letztlich zu erheblichen Mehrkosten.
Die Gründung der Galerie, so die Architekten, erfolgte über eine Stahlbetonplatte auf vorgennannten Kleinbohrpfählen, welche in Verbindung mit den Außenwänden der unterirdischen Geschosse als wasserundurchlässige Konstruktion in Form einer „Weißen Wanne“ ausgeführt wurde. Die Unterwasserbetonsohle funktioniert als Dichtsohle für die Baugrube.